Dorothea Tanning 1910 - 2012

Dorothea Tanning selbst war eine wichtige Künstlerin, auch wenn sie im Nachgang viel mehr als Ehefrau von Max Ernst bekannt ist. Genau wie ihr Ehemann gab sich auch Tanning der surrealistischen Malerei hin. Doch die 1910  im US-amerikanischen Bundesstaat Illinois geborene Tanning konnte noch weit mehr als das: Sie war neben ihrer Malerei außerdem als Bildhauerin, Schriftstellerin, Bühnenausstatterin und Kostümbildnerin tätig. Die Autodidaktin sammelte  ihre Erfahrungen und Inspirationen vornehmlich in Ausstellungen – als besonders prägend für sie gilt die 1936 abgehaltene Ausstellung Fantastic Art, Dada and Surrealism im Museum of Modern Art in New York, wo sie ein Jahr zuvor hingezogen war.

Für Tanning waren der dort zur Schau gestellte Surrealismus und Dadaismus bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt. Die Veranstaltung brachte sie schließlich dazu, sich ebenfalls dem angesagten Surrealismus zuzuwenden. Sieben Jahre später konnte sich Tanning über die Teilnahme an einer Gemeinschaftsausstellung freuen, auf der ausschließlich die Werke von Frauen gezeigt wurden: In Exhibition by 31 Women (1943) in der Galerie Art of This Century von Peggy Guggenheim war sie mit Birthday (1942), einem Selbstporträt, neben Künstlerinnen wie Frida Kahlo, Louise Nevelson oder Meret Oppenheim vertreten.

Für Tanning kann diese Ausstellung wohl auf mehrfacher Ebene als weiteres Schlüsselerlebnis betrachtet  werden – ihr späterer Ehemann Max Ernst befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in dritter Ehe mit Galeristin Peggy Guggenheim. Drei Jahre später heirateten die beiden im Rahmen einer Doppelhochzeit mit Surrealist Man Ray und seiner Frau Juliet Man Ray (geb. Browner). Genau wie Ernst nahm auch Tanning 1946 am bedeutenden Bel-Ami-Kunstwettbewerb teil. In den 1950er Jahren folgte ein mehrfacher Wohnsitzwechsel nach und innerhalb Frankreichs. Tanning arbeitete zunehmend abstrakter und sie fertigte revolutionäre Skulpturen aus Stoff, mit denen sie die Fragilität des Lebens thematisierte.

1959 war Tanning auf der documenta II vertreten, 1974 widmete das Centre Pompidou in Paris ihrer Arbeit bereits eine Retrospektive, ohne zu wissen, wie alt die damals 64-Jährige werden würde. Zwei Jahre später, die beiden lebten gerade in der französischen Hauptstadt, starb Ehemann Ernst im Alter von 85 Jahren. Die verwitwete Künstlerin kehrte 1978 nach New York zurück. Dort angekommen wandte sie sich schließlich der Schriftstellerei zu. Tanning starb Anfang 2012 in einem stolzen Alter von 101 Jahren – nur kurz zuvor war ihr zweiter Gedichtband Coming to That erschienen.