London, the Royal Academy of Arts: »Entangled Pasts, 1768–now«
Kunst als Geschichtsschreiber
Geschichtsschreibung ist nicht objektiv, in früheren Jahrhunderten galt dieser Anspruch erst recht nicht. Die Royal Academy of Arts untersucht in Entangled Pasts, 1768–now, wie Kunstwerke die Meinung der Menschen formten und so Einfluss auf Kolonialismus, Sklaverei und Widerstand übten – und es bis heute tun. Die Ausstellung beginnt am 3. Februar.
John Singleton Copley RA, Watson and the Shark, 1778, Oil on canvas, 183.5 x 229.6 cm
Videokunst und Installationen neben 250 Jahre alten Gemälden: In den Medien geht es seit jeher darum, was wie gezeigt und was ausgelassen wird. Die Royal Academy of Arts (RA) in London untersucht in Entangled Pasts, 1768–now, wie Kunstwerke Geschichte darstellen und gesellschaftliche Diskurse beeinflussen. Kunst stellt nicht nur Geschichte dar, sondern beeinflusst durch die Art und Weise, wie sie sie darstellt, folglich auch, wie Geschichte wahrgenommen wird. Manche Maler wie John Singleton Copley, der mit Watson and the Shark (1778), einer innovativen, modernen Version von Jona und der Wal, eines der bekanntesten Gemälde seiner Zeit schuf, betätigten sich auch als Historiker. Inspiriert wurde die Ausstellung unter anderem durch Yinka Shonibares kuratorische Arbeit im Sommer 2021, in der er den westlichen Kunstkanon als nur eine von vielen Perspektiven darstellte. Die komplexe Ausstellung Entangled Pasts, 1768–now ist vom 3. Februar bis zum 28. April zu sehen.
Entangled Pasts, 1768–now wird in den Hauptgalerien der RA präsentiert und ist in drei thematische Abschnitte gegliedert. Sites of Power untersucht Abwesenheit und Präsenz in der Porträt- und Historienmalerei des Grand Manier und reflektiert die Jahrzehnte um die Gründung der RA. Dies bezieht den Höhepunkt von Großbritanniens transatlantischem Sklavenhandel und die beginnende Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei mit ein. In Beauty and Difference wird die Verbreitung ästhetischer Normen anhand von Zeichnungen, Drucken, Gedichten, Skulpturen und Fotografien in Werken nachgezeichnet, die die moralischen Widersprüche des viktorianischen Zeitalters verkörpern. Crossing Waters nimmt eine internationale Perspektive auf ökologische Folgen ein und regt mit immersiven Räumen zum Nachdenken über Geschichte, ihre Verzweigungen und heutige Probleme an. Gezeigt werden Arbeiten von Frank Bowling RA, Sonia Boyce RA, Lubaina Himid RA, Isaac Julien RA, Hew Locke RA, Yinka Shonibare RA, Kara Walker Hon RA, Ellen Gallagher, Joshua Reynolds PRA, Thomas Gainsborough RA, John Singleton Copley RA und William Turner RA.
Der seit 2018 zweijährlich verliehene Shizuko Yoshikawa Award geht dieses Jahr an Gemma Ushengewe, einer Dokumentar- und Experimentalfilmemacherin und Performance-Künstlerin. Der Preis unterstützt Masterabsolventen von Schweizer Kunsthochschulen am Beginn ihrer Laufbahn.
Inspiriert von Egon Schieles verschollenen Werken: Adrian Ghenie malt seine Versionen von Kunstwerken, die nur durch Schwarz-Weiß-Fotografien bekannt sind. Die Ausstellung Adrian Ghenie. Schattenbilder eröffnet am 11. Oktober in der ALBERTINA inWien.