Inwiefern kann die Fotografie dazu beitragen, die globale Klimakrise und ihren Einfluss auf die Gesellschaft zu beleuchten und zu erforschen? In welcher Weise ist sie als Ressourcenverbraucher selbst in diese Krise involviert? Diese Leitfragen bestimmten das Projekt Sommerwerkstatt für Fotografie, in dem zwölf Studierende seit Sommer 2024 neue kunstfotografische Arbeiten entwickelten. Ihre Werke, die sie in der Kulturlandschaft Oderbruch in Brandenburg in engem Kontakt zu vor Ort lebenden Menschen entwickelten, werden nun auf Schloss Neuhardenberg präsentiert: Die Sonderausstellung Klimax Klima läuft vom 30. August bis zum 21. Dezember. Die zwölf Studierenden von der Hochschule für bildende Künste Hamburg, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und Akademie der Bildenden Künste München wurden bei dem Projekt von Prof. Armin Linke, Prof. Heidi Specker, Prof. Tobias Zielony und Prof. Thomas Weski begleitet:
Omid Arabbay setzt sich ausgehend von kollektiven Angstbildern und alltäglichen Fremdzuschreibungen mit den Mechanismen gesellschaftlicher Ausgrenzung auseinander. Als vermeintlicher »Wolf im Schafspelz« verbringt er eine Nacht bei einer Schafsherde und nähert sich so performativ den Zuschreibungen an, die oft auf Angst und Projektion beruhen. In der Ausstellung zieht er absurde Zäune durch den Raum – Barrieren, die mehr spalten als schützen und deren Funktion ins Leere läuft.
Anastasiia Batishcheva stellt in ihrer Arbeit die Frage, wie sich die Komplexität der Oderlandschaft mit ihren historischen Ereignissen, politischen Verhandlungsprozessen und der Flüchtigkeit der Natur darstellen lässt. Dazu sammelt sie verschiedene mediale Darstellungen der Oderlandschaft und führt sie in einem archivarischen Möbelstück zusammen, um die Landschaft auf eine spielerische Art neu zu erfassen.
Bjørg Elttør erzählt in ihrer Rauminstallation eine Geschichte des Scheiterns. Nach einem Besuch bei der Tesla Gigafactory in Grünheide übernachtet sie in einem Hotel. Dort beginnt sie zu schreiben und zu fotografieren. Ihr Versuch, sich für ihre Recherche bei Tesla zu bewerben, endete in einer Absage. Wie geht sie nun damit um?
Jonas Fischer dokumentiert die Arbeit des Landwirtschaftsbetriebs Hof Basta im Oderbruch und zeichnet ein Bild vom kollektiven Leben und Arbeiten der Landwirtinnen und Landwirte. Ausgehend von seinen Beobachtungen stellt er Fragen nach der Geschichte und möglichen Zukünften von Landschaft, Landwirtschaft und kollektiver Arbeit.
Hannah Francke widmet sich dem Biber im Oderbruch, der wie ein Geist durch die Gegend streift und zu einem Stellvertreter für Kontrolle, Dominanz und Unberechenbarkeit zwischen Mensch und Natur wird. Die Bäume im Oderbruch sind durch Fraßspuren an ihren Stämmen markiert. Wie Skulpturen stehen sie am Ufer und verweisen auf eine Anwesenheit und ein Geschehen, das wir nicht sehen, jedoch erahnen können.
Tatjana Hub lässt in ihren Schwarzweißfotografien vermeintliche Unbeschwertheit in Bedrohung und Ungewissheit kippen. Junge Gesichter spiegeln eine subtile Gefahr, die sich hinter dem Deckmantel von Normalität verbirgt. In der Überblendung durch grelles Sonnenlicht verdichten sich Hitze, Irritation und die fragile Ahnung eines kommenden Wandels.
Krina Königsmann richtet den Blick auf die Maul- und Klauenseuche, die Anfang 2025 bei Wasserbüffeln in Hönow auftrat und erhebliche Folgen für die lokale Landwirtschaft hatte. Die Seuche, die in Deutschland als ausgerottet galt, ist zurückgekehrt, der Grund dafür ist nicht geklärt. Mögliche Anzeichen deuten darauf hin, dass klimatische Veränderungen und illegale Tiertransporte in Zukunft zu weiteren Ausbrüchen führen könnten.
Maximilian Koppernock beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf nachtaktive Lebewesen und ihre Ökosysteme, insbesondere auf Fledermäuse, die als sensible Bioindikatoren für Klimaveränderungen gelten. Wenn Städte leuchten, verschwinden Räume der Dunkelheit – und mit ihnen jene, die auf sie angewiesen sind. Seine Installation zeigt Rückzugsorte, die sichtbar machen, wie künstliches Licht Lebensräume und Rhythmen stört. Die Arbeit begreift Klimawandel als Verlust nächtlicher und sensorischer Vielfalt.
Ann-Sophie Krüger stellt die Frage, wie man einen Wald archiviert. Ausgehend von der Abholzung des Kiefernwaldes für die Tesla Gigafactory in Brandenburg dokumentiert sie wissenschaftliche und fotografische Versuche, einen verschwindenden Naturraum zu bewahren. Doch ist der Wald es überhaupt wert, erhalten zu werden? Mikroskopische Holzanalysen treffen auf fotografische Feldforschung.
Zoe Popp verändert mit ihrer Nebelinstallation im Schlosspark für kurze Zeit die Umgebung, und eine andere Landschaft entsteht. Es entsteht ein Bild, das nicht mehr ganz zusammenpasst, eine Verschiebung, die spür- und sichtbar gemacht wird. Kurz greifbar, dann ist schon wieder alles vorbei. Das Spiel mit verschobenen Jahreszeitenphänomenen verweist auf bereits erfolgte, nicht sichtbare klimabedingte Veränderungen der Landschaft.
Igor Vrdoljak nimmt in seiner Arbeit die einzelnen Komponenten und Ersatzteile von Fotoapparaten und damit die Klimaverantwortung der Fotoindustrie in den Fokus. Allein im Jahr 2023 wurden rund 7,2 Millionen Digitalkameras produziert, alle ausgestattet mit Prozessoren, Sensoren, Kameragehäusen und Main Boards, geschaffen mit seltenen Erden. Igor Vrdoljak macht diese Bauteile in Form von Fotogrammen sichtbar, eine Technik ohne Kamera, die deutlich älter als die Fotografie selbst ist.
Mimi Shudi Yan entwickelt eine Klima-Jakobsleiter – ein kinetisches Objekt, das die zunehmenden Klimaextreme und ihre Folgen für den Menschen als Kettenreaktion sichtbar macht. Die Kippbewegungen der Jakobsleiter stehen sinnbildlich für das menschliche Handeln als Ursache und zugleich als mögliche Lösung der Klimakrise.
Die Sommerwerkstatt wurde von der Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt und der Joachim Herz Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stiftung Schloss Neuhardenberg realisiert. Sie knüpft an die 1976 vom Berliner Fotografen Michael Schmidt (1945-2014) gegründete Werkstatt für Photographie an, die Teilnehmende ohne jegliche Zugangsvoraussetzungen aufnahm. Sie existierte bis 1986 und war eine einflussreiche Fotoschule mit dokumentarischem Schwerpunkt.
An folgenden Terminen finden Ausstellungsführungen statt:
So, 14. September, 16 Uhr
Sa, 25. Oktober, 15 Uhr
So, 16. November, 14.30 Uhr
So, 14. Dezember, 16 Uhr