Unheimliche Wirklichkeiten

Die Geschichten amerikanischer Kleinstädte und ihrer Bewohner auszuloten ist das Markenzeichen des Fotografen Gregory Crewdson. Seit den 1980ern greift er immer wieder auf diesen Kosmos zurück und nutz es als Werkzeug, um in seinen großformatigen Fotografien einen Spiegel der menschlichen Psyche zu fertigen. Das klingt nach einem Film von David Lynch, was kein Zufall ist: Blue Velvet (1986) war eine Hauptinspiration für den damals Anfang 20-jährigen Crewdson. Der Fotograf sieht seine Arbeiten jedoch nicht als gesellschaftskritische Werke, als die sie gelegentlich interpretiert werden. Ausgehend von persönlichen Erlebnissen erforscht er psychische Aspekte, das Fremde im Alltag. Nach eigener Aussage fußt dieses Interesse auf Kindheitserlebnissen: Crewdsons Vater war Psychoanalytiker und hatte seine Praxis im eigenen Haus. Diese besondere Atmosphäre im alltäglichen Leben prägt Crewdson bis heute. Die ALBERTINA in Wien zeigt nun in der Ausstellung Gregory Crewdson. Retrospektive ausgewählte Arbeiten aus allen Schaffensphasen des Künstlers, von 1986 bis 2022. Die Schau beginnt am 29. Mai und schließt am 8. September.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist eine große Schenkung von Crewdsons Werken an die Fotosammlung der ALBERTINA, die ihren Fokus auf zeitgenössische Fotografie legt. Präsentiert werden Arbeiten unter anderem aus den Werkserien Early Works (1986-1988), Twilight (1998-2002), Beneath the Roses (2003-2008) und Eveningside (2021-2022). Die Fotos entstehen unter aufwendigen Produktionsbedingungen, die an Filmsets erinnern. In der Postproduktion wird das finale Bild aus Elementen mehrerer Aufnahmen komponiert. Crewdson gewann zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 2009 für Beneath the Roses den Deutschen Fotobuchpreis.