Künstlerische Forschungen: Kunst und Zeitstrukturen

Zur Feier des 20-jährigen Bestehens organisiert der Kunstverein Tiergarten ein Veranstaltungsprogramm, das die Phänomene Zeit und Zeitlichkeit näher untersucht. Teil des Programms ist die Gruppenausstellung approaching world, die vom 12. April bis zum 15. Juni in Berlin läuft. Die eingeladenen Künstlerinnen Birgit Cauer, Nathalia Favaro, Kati Gausmann, Juliane Laitzsch und Muriel Valat-B vertreten verschiedene Medien wie Bildhauerei, Textil- und Videokunst, befassen sich aber alle mit Phänomenen der Zeit. Langzeitbeobachtungen und Prozessabläufe sind in ihren Arbeiten ebenso zu finden wie die Flüchtigkeit des Augenblicks und Untersuchungen zu Erinnerungen.

Die Ausstellung ist kuratiert von Veronika Witte und Kati Gausmann.

Die Bildhauerin Birgit Cauer, die am Künstlerprogramm des Art.Salon teilnimmt, präsentiert in der Ausstellung unter anderem fünf neuere Arbeiten aus der Werkreihe LITHO VITAL. Diese Skulpturen entstehen durch eine einzigartige, experimentelle Arbeitsweise: Cauer beträufelt die Steine über mehrere Monate mit Salzen und Säuren. Die Erosionen lassen neuartige, bizarre Formen entstehen. Die Künstlerin schiebt die Prozesse an, die sich dann ihre eigenen Wege suchen. Stein sieht sie als Materie, die Teil des Kreislaufs allen Lebendigen ist. Er ist Druck und Zeit ausgesetzt und unterliegt sowohl natürlichen als auch vom Menschen beeinflussten Umwandlungsprozessen. Nur aus unserer menschlichen Perspektive wirkt das Material wie eine unveränderbare Größe.

Für ihre neuesten Arbeiten wie Litho Vital X (2023), die in approaching world zu sehen ist, intensiviert Cauer ihre künstlerische Forschungsarbeit. Die Skulpturen sind mit Salzsäure bearbeitete Bohrkerne aus größeren Skulpturen, sie stammen also aus dem Inneren des Steins. In diesem Fall handelt es sich um Thüster Kalkstein, der in Südniedersachsen abgebaut wird und aus den Gehäusen kleiner Meerestiere besteht, die im Laufe von Millionen von Jahren zusammengepresst wurden: lebendiger Stein.

Die Ausstellung bietet die Gelegenheit, den Schaffensprozess der Gebilde zu verfolgen: In einem nur durch eine Glasscheibe einsehbaren Raum hat Cauer temporär ihr Labor eingerichtet, das sich normalerweise im Atelierhaus Panzerhalle in Potsdam befindet. Die Künstlerin wird zur Eröffnung am 12. April und zu einem Künstlergespräch am 25. April anwesend sein.