Hamburg, Deichtorhallen: Neueröffnung des temporären Substituts des Hauses der Photographie

Mehr als nur Ersatz: Das PHOXXI überzeugt fernab von üblicher Container-Romantik

Ein Container ist in der Hafenstadt Hamburg kein seltener Anblick – im hochkarätigen Design inmitten des Parkplatzes eines Kunstmuseums dagegen schon. Das PHOXXI, ein Akronym aus dem Wort Photographie und der römischen Zahl 21, die wiederum stellvertretend für das 21. Jahrhundert steht, befindet sich genau dort: auf dem Parkplatz der Deichtorhallen, wo es am 29. September 2021 eingeweiht wurde.

30. September 2021
Außenansicht des PHOXXI. Haus der Photographie temporär
Copyright: Henning Rogge / Deichtorhallen Hamburg
Rückansicht des PHOXXI

Mit dem PHOXXI planen die Deichtorhallen Großes: Der Container dient fortan für drei Jahre als Ersatz für das Haus der Photographie, das wegen Sanierungsarbeiten solange geschlossen bleibt. Mit dieser Art der Überbrückung gehen die Deichtorhallen ihrem Vorhaben nach, trotz Umbauarbeiten weiterhin sichtbar zu bleiben. Mit seiner bunten Fassade soll das PHOXXI also vor allem auffallen, und zwar auch einer jungen Klientel. Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen, findet, dass es für Touristinnen und Touristen sogar zum neuen Treffpunkt der Stadt werden könnte. »Wir verstecken das Temporäre hier nicht, wir setzen es regelrecht in Szene«, sagt er mit Stolz bei der Eröffnung. 

Seitenansicht des PHOXXI 2021
Eigenes Foto | Art.Salon
Side view of the PHOXXI

Die Idee zu einem Container als Ausweichstätte für das Haus der Photographie kam Luckow bei einem Besuch des Projekts Hammerbrooklyn.DigitalCampus, ein Projekt für Digitalisierung, das 2019 provisorisch auf dem Parkplatz des ehemaligen Fruchthofes mit grünen Containern startete. Der langgezogene, schluchtförmige Raum, der einen geradezu hineinziehe, habe mit der hohen Decke beinahe kathedralisch gewirkt – diesen faszinierenden Effekt sollte es auch im neuen Projekt der Deichtorhallen geben, das ursprünglich lediglich Büroflächen beherbergen sollte.

Luckow betont, dass er beim PHOXXI von der klassischen Container-Romantik weggewollt habe; schließlich sei diese Idee alles andere als neu. Seine Intention war es, am Ende beim modernen White Cube zu landen. Zum Hingucker wurde das neue Gebäude von außen durch den deutschen Künstler und Kunstprofessor Anselm Reyle (*1970), den die Deichtorhallen zur Gestaltung der Außenfassade gewinnen konnten. Dessen typischer neonfarben-dominierender Streifenstil hebt den Würfel zusammen mit den aufgebrachten Fotografien von F. C. Gundlach, dem Gründungsdirektor des Hauses für Photografie, und Frida Orupabo von seiner Umgebung ab. 

Ausstellungsansicht JACK DAVISON. OMER FAST. FRIDA ORUPABO im PHOXXI. Haus der Photographie temporär
Copyright: Henning Rogge / Deichtorhallen Hamburg
Ausstellungsansicht JACK DAVISON. OMER FAST. FRIDA ORUPABO im PHOXXI. Haus der Photographie temporär.

Zum kathedralenhaften Innenleben kommt beim PHOXXI außerdem die zweite Ebene hinzu, die in das 50 x 12,5 m große Container-Ensemble nachträglich integriert wurde: Über eine Treppe betritt man die Empore, auf der zurzeit die Werke von Frida Orupabo ausgestellt werden. Im Erdgeschoss direkt hinter der Treppe befindet sich etwas versteckt der Medienraum, in dem Platz für Videokunst geschaffen wurde.

Das einzige Manko an dem neuen Projekt: Es ist (noch) nicht barrierefrei. Für die Stufen vor dem Eingang soll es bald eine Rampe geben, für den Aufgang zur Empore müssen jeweils individuelle Lösungen gefunden werden, entgegnet Luckow auf einen Hinweis darauf.

Auftaktausstellung zwischen historischer und zeitgenössischer Photographie

Die Auftaktausstellung befasst sich bis zum 23. Januar 2022 mit Arbeiten dreier Künstler, die die Vielfalt des Mediums Photographie aufzeigen. Der Engländer Jack Davison arbeitet traditionell mit Photographien, in denen er Bezüge auf Motive und Stile der bald 200 Jahre währenden Photographiegeschichte mit Social-Media-Ästhetiken verbindet.

Jack Davison: Untitled, 2017 (Abstract Colour) From Photographs, published by Loose Joints, 2019
© Jack Davison
Jack Davison: Untitled, 2017 (Abstract Colour) From Photographs, published by Loose Joints, 2019

Mal in Farbe, mal Schwarzweiß, vom Klein- bis zum Großformat präsentiert Davison seine Werke in simpler Art und Weise, die die Betrachtenden ganz auf den Inhalt und die in ihnen hervorgerufenen Gefühle lenken soll. Davison legt Wert auf eine sorgfältige physische Arbeit, wählt je nach Motiv einen analogen oder digitalen Fotoapparat oder auch ein iPhone. Bildbearbeitungsprogramme verwendet er nur selten für kleine Details oder um Ränder zu beschneiden, wodurch er die Komposition verfeinert.

Omer Fast: Still aus dem Film AUGUST, 2016 3D-Film mit Sound, 15:30 min Im Auftrag von Martin Gropius Bau/ Berliner Festspiele
Photo: © Filmgalerie 451/ Stefan Ciupek/ Julia M. Müller
Omer Fast: Still aus dem Film AUGUST, 2016

Zwischen Fiktion und Dokumentation bewegt sich der israelische Videokünstler Omer Fast in seinem Kurzfilm August. Parallel erzählt Fast die Entstehung von August Sanders berühmter Porträtreihe Menschen des 20. Jahrhunderts sowie die letzten schweren Lebensjahre der fiktiven, fast blinden Figur August Sander. Fast greift Sanders bewusstes Komponieren der Porträts, die wie spontane Momentaufnahmen wirken sollen, auf und stellt damit die Frage, wie nah Bilder sich an der Realität befinden können. Die norwegisch-nigerianische Künstlerin Frida Orupabo setzt sich mit dem kolonialen Erbe der den afrikanischen Ländern aufgezwungenen europäischen kulturellen Vorstellungen auseinander. Historische und private Bilder setzt sie in Collagen, die Fotografie und Plastik vereinen, neu zusammen. Orupabo entfremdet historische Fotografien, die von weißen Menschen gemacht wurden, zu aktuellen, von Grenzen befreiten Werken, die sich gegen Rassismus und Sexismus stellen.Art.Salon

Frida Orupabo: Untitled, 2019
Copyright: Courtesy Galerie Nordenhake Berlin/Stockholm/Mexico City. Photo: Gerhard Kassner
Frida Orupabo: Untitled, 2019

Dive deeper into the art world

Deichtorhallen Hamburg: Tom Sachs – Space Program: Rare Earths

Zwischen dem 19. September 2021 und dem 10. April 2022 können Besucherinnen und Besucher der Deichtorhallen in Hamburg die interaktive Weltraumlandschaft des Künstlers Tom Sachs erkunden.

17. September 2021
New York, The Museum of Modern Art

Alltagsszenen, Tanzveranstaltungen und im Wandel befindliche Jugendkulturen: In der Ausstellung Ideas of Africa: Portraiture and Political Imagination untersucht das Museum of Modern Art, wie Porträtfotografie panafrikanische Tendenzen beeinflusste. Die Ausstellung läuft bis zum 25. Juli 2026 in New York.

15. December 2025