Walter Grässli

Millionen Punkte aus Licht und Schatten

In den Arbeiten von Walter Grässli vereinen sich leuchtende Kontraste, feine Nuancen und pointilistische Strukturen zu Bildern, die mehr erzählen als das bloße Motiv. Sie sind eine Einladung, Farbe neu zu sehen – als Sprache der Emotionen und Spiegel des Lebens.

von Felix Brosius, 22. April 2025
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Walter Grässli: Im Zeichen der Hoffnung (2023), Öl auf Malplatte

Unzählige kleine Punkte fügen sich in den Malereien von Walter Grässli zu einem leuchtenden Farbspiel kontrastreicher Harmonien zusammen. Die Kompositionen lassen sich lesen als abstrakte Darstellungen von Bildern, die das Leben selbst entwirft – Beobachtungen, Landschaften, kleine Details und atmosphärische Stimmungen, Ideen, Hoffnungen, Träume und Schicksale. Mindestens so entscheidend wie das Motiv ist aber die Farbe selbst, die hier nicht Werkstoff, sondern Thema zu sein scheint. So spielt Grässli in seinen Arbeiten mit krassen Kontrasten und sanften Übergängen, lässt mal leuchtende Glut auf blaue Tiefe stoßen, um dann wieder feine Abstufungen zwischen Blau und Weiß mäandernd miteinander zu verweben. Dabei wirken die einzelnen Farbflächen scharf abgegrenzt, formen sich durch die pointilistische Malweise tatsächlich aber erst im Auge des Betrachters. Vor allem aber sind alle Farben in den mosaikartig parzellierten Arrangements derart symbiotisch miteinander verschränkt, dass sie gerade im Gegensatz ihre stärkste Kraft entfalten, sich gegenseitig tragen und aufeinander verweisen. Das Spiel der Farben ist zugleich eine Inszenierung ihrer Wirkung, Ruhe und Stabilität bilden das Fundament für Leidenschaft und Energie, eine dunkle Schwere teilt sich den Raum mit fröhlicher Leichtigkeit. Denn: »Schatten bedeutet zwar Dunkelheit, aber nicht absolut. Schatten entstehen nur dort, wo auch Licht ist. Und Licht bedeutet auch Hoffnung. Hoffnung, die zuletzt stirbt!« (Walter Grässli)

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Walter Grässli: Weißer Einbruch (2020), Öl auf Leinwand

Geboren wurde Walter Grässli 1943 in Werdenberg, mit ungefähr 60 Einwohnern die kleinste Stadt der Schweiz, der es nicht an kleinen Städten mangelt. Heute ist Grässli wohl das, was man einen Renaissancemenschen nennt. Schon als Kind war er von Farben fasziniert und malte mit großer Leidenschaft. Er absolvierte eine Ausbildung als Dekorations- und Schriftenmaler in Buchs, der Besuch eines Vorkurses an einer Schule für Gestaltung blieb ihm jedoch verwehrt, und so eignete er sich die Grundlagen für künstlerisches Malen zunächst autodidaktisch an. Es folgte dann aber doch noch ein Studienaufenthalt an der Ecole supérieure nationale des Beaux-Arts in Paris und ein anschließender Aufenthalt in London. Zurück in der Schweiz arbeitete Grässli als Werbegestalter und hospitierte an der Schule für Gestaltung St. Gallen. Nach einem prägenden Praktikum im Kinderdorf Pestalozzi Trogen absolvierte er das Lehramtsdiplom für Bildnerisches Gestalten an der heutigen ZHdK und bildete sich an der Universität Zürich weiter.

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Walter Grässli: Großes X (2021), Öl auf Leinwand

Über 35 Jahre unterrichtete Grässli an der Kantonsschule Wattwil und parallel zeitweise Farbenlehre an der ZHdK. Intensive Auseinandersetzungen mit Kunstgeschichte und Farbtheorie begleiteten seine Lehrtätigkeit und führten zu zahlreichen Publikationen und Referaten. Er entwarf eine Vielzahl von Bühnenbildern, betätigte sich vielfältig mit Kunst am Bau, gestaltete Glasfenster, Portale, Wandbilder und -reliefs und verfolgte seine freie Malerei, die regelmäßig in zahlreichen Ausstellungen zu sehen ist. Mit seiner Frau, der Textilgestalterin Theresia Grässli-Müller, hat er vier Kinder, die ebenfalls alle künstlerisch tätig sind.

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Walter Grässli: Winterglut (2024), Öl auf Malplatte
»Schatten bedeutet zwar Dunkelheit, aber nicht absolut. Schatten entstehen nur dort, wo auch Licht ist. Und Licht bedeutet auch Hoffnung. Hoffnung, die zuletzt stirbt!«
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Walter Grässli: Weiße Nacht (2023), Öl auf Malplatte

Mehr über den Künstler: Artist Page von Walter GrässliArt.Salon

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