Agata Kycia

Die Schönheit unvollkommener Präzision

In einem freien Tanz nach verborgenen Regeln formt sich ein wild geordneter Schwarm aus Punkten und Linien zu komplexen Strukturen zwischen Ordnung und Freiheit, choreographiert von Agata Kycia zu einer spannungsreichen Aufführung von innerer Schönheit und Kohärenz.

von Felix Brosius, 11. March 2025
Agata Kycia - Tipping Point 2
Agata Kycia: Tipping Point 2 (2024), Zeichnung mit Bleistift auf Hahnemühle Karton

Grundformen der Geometrie wie Striche, Punkte oder kleine Ellipsen, aber auch winzige unförmige Flecken bilden die Grundbausteine, aus denen sich die Kompositionen von Agata Kycia zusammensetzen. In scheinbar endloser Zahl fügen sie sich aneinander und formen komplexe Strukturen von höchster Harmonie. Ganz offensichtlich ist ihre Anordnung nicht zufällig, scheint vielmehr einer Gesetzmäßigkeit zu folgen, und man ist versucht, den Algorithmus zu entschlüsseln, der dem System zugrunde liegt, muss aber schnell erkennen, dass eine einfache Regel nicht genügt, um die Konfiguration zu beschreiben. Wo man zunächst perfekte Symmetrien zu erkennen glaubt, entdeckt man auf den zweiten Blick doch klare Abweichungen, scheinbare Wiederholungen einfacher Muster entpuppen sich als Abfolge immer neuer Variationen. So entsteht ein spannungsreiches Spiel zwischen beinahe mechanisch wirkender Präzision und lebhaften Nuancen, das sowohl im Detail als auch im Gesamtbild immer wieder neue Aspekte zum Entdecken bereithält.

Agata Kycia - Taking Shape
Agata Kycia: Taking shape (2022), Tuschezeichnung auf Papier

Die in Berlin lebende Künstlerin ist zugleich Architektin und Wissenschaftlerin, die sich mit möglichen Schnittstellen zwischen computerbasiertem Design, digitaler Produktion und Materialwissenschaft beschäftigt. Sie promovierte an der Fakultät für Architektur der TU Berlin über Designstrategien und Formfindung durch 3D-Druck auf Gewebe. Dieser Hintergrund prägt maßgeblich auch ihre künstlerische Arbeit, in der sie einen Dialog zwischen der Exaktheit des Digitalen und der Unvollkommenheit handwerklicher Arbeit herbeiführen möchte. Hierzu kombiniert sie auf der technischen Ebene Druckverfahren wie Sieb- und Reliefdruck mit freier Malerei und Zeichnung. Kompositorisch spiegeln ihre Bilder nicht nur Kycias Ausbildung in Architektur, sondern auch ihre generelle Faszination für geometrische Formen und räumliche Wahrnehmung, während sie inhaltlich bei aller Strenge im Aufbau immaterielle Konzepte und Emotionen abbilden, die Kycias Erfahrungen als Frau und Mutter reflektieren. Das Ergebnis sind beeindruckende, vielschichtige Arbeiten, die es sich zu entdecken lohnt.

Tipp: Aktuell gibt es dazu in Berlin die Gelegenheit: Dort sind Agata Kycias Arbeiten noch bis zum 26. April 2025 in der Ausstellung Contra:Punkt der Galerie Froschke zu sehen.

Agata Kycia - Taking Shape 4
Agata Kycia: Taking shape 4 (2024), Tuschezeichnung auf Papier
»Meine Arbeit untersucht die Beziehung zwischen digitalen Technologien, Materialität und praktischen Verfahren.«
Agata Kycia - Afterimage 02a
Agata Kycia: Afterimage 02A (2024), Siebdruck, Acryl auf Hahnemühle Karton
Agata Kycia - Afterimage 05b
Agata Kycia: Afterimage 05B (2024), Siebdruck, Gouache auf Fotokarton

Mehr über die Künstlerin: Artist Page von Agata KyciaArt.Salon

Dive deeper into the art world

Ellen Driscoll

Wir alle sind Protagonisten im Wandel der Zeit. In vielschichtigen Bildern und Skulpturen entwirft Ellen Driscoll ein komplexes Gewebe, das uns zeigt, wie unsere individuellen Schicksale mit den globalen Herausforderungen der Gegenwart verschmelzen.

von Felix Brosius, 15. October 2024
New York: Helene Schjerfbeck im Metropolitan Museum of Art

In Finnland ist sie eine Nationalheldin, international erst seit wenigen Jahren bekannter: Helene Schjerfbeck fasziniert mit ihrem originellen, schlichten Stil. Erstmals präsentiert ein großes Museum in den USA ihre Arbeiten: Seeing Silence: The Paintings of Helene Schjerfbeck eröffnet am 05. Dezember im New Yorker Metropolitan Museum of Art.

05. December 2025