Retrospektive einer Pionierin

Mit ihrer Aktion Tapp- und Tastkino (1968), bei der VALIE EXPORT einen Kasten mit Öffnungen über ihren nackten Brüsten trug, durch die Passanten sie berühren konnten, wurde die Künstlerin schlagartig bekannt. Sie überschritt bestehende Grenzen und inszenierte Themen wie weibliche Unterdrückung in patriarchalen Strukturen, die selten oder nie in öffentliche Debatte gelangten. Im Falle des Tastkinos thematisierte sie den voyeuristischen Blick auf Frauenkörper, der ihrer Meinung nach im Kinosaal als normal gilt. Nach ihrer Aktion erhielt sie zahlreiche Drohbriefe und -anrufe. Seither verschrieb sich VALIE EXPORT der Gerechtigkeit und Toleranz in europäischen Gesellschaften, indem sie aussprach, was viele nicht sehen oder begreifen wollten. Die Albertina in Wien widmet der österreichischen Künstlerin mit VALIE EXPORT – Retrospektive eine große Soloschau. Vom 23. Juni bis zum 1. Oktober richtet sich der Fokus vor allem auf Fotografien – sowohl als dokumentarische Beiwerke als auch als eigenständige Arbeiten. Das Medium fand bisher bei Ausstellungen weniger Aufmerksamkeit als die Performances, Body-Art und Videos der Künstlerin.

VALIE EXPORT (*1940), mit bürgerlichem Namen Waltraud Stockinger, ist auch Urheberin von Spiel- und Dokumentarfilmen, Objektkunst, Skulpturen, Laserinstallationen und Untersuchungen zur zeitgenössischen Kunstgeschichte. Die österreichische Künstlerin war für ihren Spielfilm Die Praxis der Liebe (1985) für den Goldenen Bären der Berlinale nominiert, stellte auf der documenta 6 (1977) und der documenta 12 (2007) aus und gewann zahlreiche Kunstpreise.