Spätestens seit der „New-Now“-Versteigerung im Londoner Auktionshaus Phillips werden Kunstliebhabende national wie international beim Namen Oli Epp hellhörig. Dort wurde am 13. Juli 2021 ein Gemälde des britischen Künstlers mit dem Titel Whistleblower (2017) für beeindruckende 144.900 £ (entspricht rund 169.679 €) verkauft. Das Gemälde bildet spielerisch stilisiert den Kopf eines Schiedsrichters ab, daneben fotorealistisch seine Pfeife. Der ursprüngliche Schätzwert lag bei 10.000-15.000 £ - er wurde also fast um das Zehnfache überboten. Doch woher kommt der Hype um diesen Newcomer?
Ein Newcomer auf der Überholspur
Von der Londoner Art School in den Kunsthimmel – Oli Epp hat das blitzartig geschafft. Auch wenn er sich nicht als »Instragram-Künstler« abstempeln lassen will, den Erfolg verdankt er Social Media.
Whistleblower von Oli Epp
Der Maler Oli Epp wurde 1994 in London geboren, wo er auch heute noch lebt und arbeitet. Im Jahre 2017 schließt er seinen Bachelor of Arts in bildenden Künsten an der City & Guilds of London Art School ab. Seitdem ist er als Künstler tätig. Bereits heute finden sich seine Arbeiten in den Beständen des V&A Museums (London), des Montreal Museum of Fine Arts sowie in den Sammlungen der Ruth Borchard Next Generation Collection und in der Hall Art Foundation des Mega-Sammlers Andy Hall. Im Juni 2022 zeigt die Perrotin Gallery in ihrem New Yorker Zweig eine Einzelschau seiner Werke. Darüber hinaus ist Epp ein Kurator und Kulturvermittler, der die renommierte PLOP-Künstlerresidenz in London mitgegründet hat. Bis zum Beginn 2021 lief im Schlossmuseum im österreichischen Linz zudem die von ihm mit kuratierte Ausstellung Friends of Friends of Friends: Artistic Communities in the Age of Social Media. Sie präsentierte internationale Kunstschaffende, die mithilfe von sozialen Netzwerken eine kreative Gemeinschaft geschaffen haben.
Blitzerfolg auf Instagram
Auch für Epp und seinen Erfolg spielt Social Media eine tragende Rolle. Ein bekannter Sammler kaufte 2017 ein Bild aus Epps Absolventenausstellung und veröffentlichte es auf Instagram. »Am nächsten Tag hatte ich mehr Kaufangebote als Bilder.« erklärt Epp in einem Interview mit der WELT AM SONNTAG. Tausende Followerinnen und Follower sowie Interessierte, die seine Kunst kaufen oder ausstellen wollten, kamen hinzu. Mittlerweile folgen ihm auf der Plattform Instagram mehr als 32.000 Personen.
Mit den klaren Formen und Kompositionen sowie den Bezügen zu Digitalisierung, Pop- und Internetkultur trifft Epps Kunst den Zeitgeist. Sie wird daher manchmal auch als »instagrammig« betitelt, während er selbst auch als Instagram-Künstler gilt. Epp sieht diese Bezeichnungen kritisch, weil sie suggerieren, dass seine Kunst allein für den Social-Media-Kanal gemacht sei: »Ich möchte nicht als Instagram-Künstler abgestempelt werden. Die Plattform ist zwar ein wichtiger Teil meiner Geschichte, und ich bekomme dadurch viel mehr Aufmerksamkeit, als wenn ich einfach eine Ausstellung machen würde«, sagt er in der WELT AM SONNTAG. Trotzdem, so erzählt er in einem anderen Interview auf stayinart.com, hält er es für relevant, sich auch außerhalb der virtuellen Welt zu etablieren. So möchte er seinen langfristigen Erfolg sichern und sein inneres Gleichgewicht bewahren. Dennoch: Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass seine Kunst durch die einfachen Formen, klaren Linien und überschaubaren Kompositionen einwandfrei digital funktioniert.
Beobachter der Konsumkultur
Die Entwürfe zu seinen Werken entstehen für gewöhnlich ebenfalls digital – per Photoshop oder mithilfe von Apps wie Procreate oder iDoodle. Danach projiziert er sie auf eine Leinwand, um seine realistisch gemalten Details aus Acryl- und Ölfarbe im Anschluss mit grafischen Airbrush- und linearen Abdecktechniken verschmelzen zu lassen. Seine stark stilisierten Gemälde bilden zumeist menschliche Figuren ab, die zum Objektstatus reduziert werden. Mit leeren Augen, oft sexualisiert, aber ohne jede erotische Aufladung, sind sie auf geometrische oder schlangenartige Formen reduziert. Oftmals haben sie große Köpfe, übertriebene Gliedmaßen, sind abgeflacht, fast cartoonesk. Die Gesichtszüge der grotesken Figuren sind dabei anonym, stattdessen liegt der Fokus auf ihrer Kleidung, den getragenen Marken und auf ihren Wünschen. So lässt sich hinter den skurrilen Formen in heller Pop-Ästhetik eine nüchterne Gesellschaftskritik erahnen - eine visuelle Anspielung auf Themen wie Konsum, Beziehungen, sexuelle Objektivierung und die Kommerzialisierung der Kunst.
Death by Chocolate von Oli Epp
Oli Epp
Death by Chocolate
20th Century & Contemporary Art Day Sale, Lot 145
4. Mar - 4. Mar 2022
Price realised: 100.800 GBP
»Mir geht es um die Beziehung zu uns selbst und anderen, wie wir sie im digitalen Zeitalter durch Bildschirme erleben. Pop nutze ich als Medium, um mich zwischen den realen und digitalen Räumen zu bewegen, Werbung beispielsweise verbindet diese beiden Bereiche. In meinen Gemälden thematisiere ich die kommerzielle Konsumkultur,« erzählt Epp im Monopolmagazin. Als Künstler liege sein Interesse darin, die Kultur und Gesellschaft von heute darzustellen, ohne seine persönliche Meinung oder eine Moral wiederzugeben. Er sieht sich als stiller Beobachter, der das Jetzt in seinen Arbeiten darstellt, welche wiederum sozial und politisch, aber ohne jede Haltung seien.
Um die Ästhetik seiner Werke zu beschreiben, prägte Epp 2017 den Begriff »Post-Digital Pop«. Post-digital soll dabei jedoch nicht etwa auf die Zeit nach dem Digitalismus hinweisen. Vielmehr meint er damit die Beziehung zwischen Mensch und digitalem Raum. Im Interview mit der Carl Kostyal Gallery sagt Epp dazu: »Meine Arbeit ist eine persönliche Antwort auf das Leben in einer überwältigenden konsumorientierten, digitalen Realität, in der alles unerbittlich zu Waren gemacht wird, auch wir selbst, und in der die Vorstellung, dass man seine digitale Identität von seinem persönlichen Selbstverständnis getrennt halten kann, immer brüchiger zu werden scheint und ständig am Rande des Zusammenbruchs steht.«
Auktionsergebnisse des Künstlers Oli Epp
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