Bestandsaufnahme Digitalisierung im Kunstmarkt 2022

Berliner Galerien berichten über Digitalisierung und Zukunftsaussichten

Wie sind Berliner Kunstgalerien bezüglich Digitalisierung und Online-Sales aufgestellt? Das Projekt Zukunft der Senatsverwaltung für Wirtschaft veröffentlichte nun Ergebnisse einer Umfrage zum Thema.

von Marius Meyer, 17. May 2022

Digital-Budgets, NFTs, hybride Messeformate, die Corona-Pandemie: Die Kunstwelt befindet sich in einer Prozess der Digitalisierung. Anpassung und Wandel sind essentiell, um weiterhin am Markt erfolgreich sein zu können. Das Projekt Zukunft der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe veröffentlichte nun die Ergebnisse ihrer Umfrage unter Berliner Kunstgalerien zur Digitalisierung. Dieser Überblick soll Berliner Vertretern der Kunstszene und der Politik künftig den Weg dabei weisen, den Vorbildcharakter der Stadt als internationaler Kunstmarktstandort zu wahren. Die Befragung wurde zwischen September und November 2021 mit 107 Berliner Galerien (Rücklaufquote 36 Prozent), einem Auktionshaus und zwei Messeveranstaltern durchgeführt.

Berlin
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Foto: Florian Wehde

Online-Sales

Galerien entwickeln seit zwei Jahren verstärkt digitale Präsentations- und Verkaufspläne. Dabei berücksichtigen sie gleichzeitig den Wunsch von Sammlerinnen und Sammlern nach einem direkten Kontakt, der weiterhin von enormer Bedeutung bei der Kaufentscheidung ist. Etwa 60 % der Berliner Galerien verwenden speziell für Galerien entwickelte Plattformen für den Online-Vertrieb, vor allem Artsy, Artnet und Artland. Daneben spielen Social-Media-Kanäle eine erhebliche Rolle: 93 % der befragten Galerien nutzen Instagram, 69 % Facebook. Jede vierte Galerie setzt (zusätzlich) auf Linkedin, andere Kanäle bewegen sich im einstelligen Prozentbereich. Ein Fünftel der Galerien beschäftigt eigene Digital-Managerinnen und -Manager.

Interessant ist die Preis-Kommunikation bei Online-Sales. Während fast alle Galerien zur Präsentation auf Instagram zurückgreifen, zeigen nur wenige dort die Preise der Kunstwerke an. Bei Newslettern gibt es eine ähnliche Tendenz. Preisangaben, die sich bei den meisten Berliner Galerien im mittleren Segment um die 10.000 Euro bewegen, finden sich vor allem auf den oben genannten speziellen Vertriebsplattformen oder in eigenen Online Viewing Rooms.

Aus anderen Studien ist bekannt, das potenzielle Käuferinnen und Käufer Preisnennungen erwarten. Eine kundenorientierte Online-Präsenz wird zunehmend wichtiger, die Mehrheit der Berliner Galerien erwartet einen Anstieg Online-Sales. NFTs sind vielversprechende Verkaufsobjekte, die zurzeit mehrheitlich als Kapitalanlage von Personen aus dem Investment- und Finanzbereich, denn von inhaltlich interessierten Kundinnen und Kunden gekauft werden. Aus dieser Erfahrung heraus scheint eine Preisangabe bei nicht-kunstspezifischen Plattformen wie Instagram empfehlenswert.

NFTs

Den wirtschaftlichen Möglichkeiten stehen aber auch Kritikpunkte entgegen: Die inhaltliche Relevanz von NFTs wird von manchem Galeriebetreibenden angezweifelt. Ob einzelne Werke auch in einigen Jahren noch von Bedeutung sind, bleibt heute abzuwarten. Differenzierter kann die virtuelle Darstellung von Kunstwerken bewertet werden: Zwar können Kundinnen und Kunden die Arbeiten so von überall begutachten, doch wird eine Entscheidung so allein auf optische Reize reduziert. Nicht allen Kunstwerken wird so eine gerechte Bewertung zuteil. Meist findet bei der Online-Betrachtung keine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Inhalt statt.

Bei der jüngeren und der nachfolgenden Generation von Kunstsammlerinnen und -sammlern handelt es sich um Digital Natives, die hauptsächlich Online-Sales erwarten. Eine Abkehr von dieser Praxis ist für den wirtschaftlichen Erfolg einer Galerie ausgeschlossen. Social-Media-Kanäle versprechen zudem ein breiteres, diverses Publikum als den bisherigen exklusiven Käuferkreis. Etwa die Hälfte der Galerien verzeichnet bisher einen Anteil von Digitalumsätzen von unter 10 %. Die gleiche Anzahl Galerien erwartet in Zukunft einen digitalen Umsatzanteil zwischen 20 % und über 50 %.

»Berliner Galerien« als Marke?

Digitalisierung ist auch für Kunstgalerien von hoher Relevanz – und sie wird vermutlich auch in den kommenden Jahren nicht weniger wichtig. Die Möglichkeiten zur Umsetzung der Digitalisierungspläne sind allerdings begrenzt: Fast zwei Drittel der Berliner Galerien sind kleine Unternehmen mit zwei bis fünf Mitarbeitenden, fast ein weiteres Drittel sind Ein-Personen-Galerien. Drastische Umsatzeinbußen durch die Pandemie im Jahr 2020 legten zusätzliche finanzielle Steine in den Weg: 45 % der Galerien verzeichneten geringere Umsätze als 2019, die Hälfte von ihnen zwischen 21 % und 40 %. Bei etwa 5 % aller Galerien betrug der Rückgang zwischen 81 % und 100 %. So lag das Digitalbudget bei zwei Drittel der befragten Unternehmen unter 5.000 Euro für 2020, etwas mehr als die Hälfte rechnet mit höheren Ausgaben 2021. Große, internationale Galerien sind bezüglich finanzieller Mittel und Fachwissen überlegen. Zu hohe Kosten und auch Zeitmangel hindern kleinere Galerien beim digitalen Ausbau.

Eine wasserdichte E-Commerce-Strategie ist unerlässlich, um am Kunstmarkt erfolgreich zu sein. Nun bleibt abzuwarten, wie die traditionsreichen Kunstgalerien in Berlin, von denen die Hälfte seit mehr als 15 Jahren am Markt aktiv ist, sich von diesen Einschnitten erholen und die künftigen Herausforderungen meistern werden. Zusammen mit Expertinnen und Experten bestätigen Berliner Galerien einer gemeinsamen Plattform unter der Brand »Berliner Galerien« hohes Potenzial. Diese Plattform kann die Reichweite und Außenwahrnehmung des Berliner Kunstmarkts international und national steigern und so den (Kultur-)Standort Berlin stärken.Art.Salon

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