40 Jahre freischaffende Künstlerin: Das Werk von Ria Groenhof

Elementarformen des Lebens: Ria Groenhofs skulpturale Bildsprache

Seit 40 Jahren ist die niederländische Künstlerin Ria Groenhof, die auch den Künstlernamen Atelier 85 verwendet, freischaffend tätig. Ob monumentale Skulptur im öffentlichen Raum oder Gemälde auf Leinwand: Ihr Werk verbindet die Klarheit der Geometrie mit existenziellen Fragen. Der Art.Salon stellt das vielseitige Schaffen der Künstlerin vor.

von Marius Damrow, 25. August 2025
Einzelausstellung ‘Journey Through the Land of Geometry’ im Museum Nagele, 2019
Von Ria Groenhof zur Verfügung gestellt.
Museum Nagele, Ausstellung ‘Journey Through the Land of Geometry’, 2019

Geometrisch-abstrakte Kunst im Land der Geometrie: Im Jahr 2019 hatte die niederländische Künstlerin Ria Groenhof eine große Retrospektive im Museum Nagele, unweit ihres Wohnortes Lemmer. Das Besondere am Dorf Nagele: Es ist ein Plandorf mit streng geometrischer Straßenstruktur – erbaut auf vom Menschen geschaffenem Neuland. Ein idealer Ort für Groenhofs geometrisch-abstrakte Skulpturen und Gemälde. Die Künstlerin bezog sogar durch eine 15 km lange Wander- und Fahrradroute, die sie selbst festgelegt hat, die Umgebung in ihre Ausstellung mit ein. Mit einem ausgeprägten Gespür für Linie, Fläche und Raum hat sie eine unverwechselbare künstlerische Handschrift entwickelt, die zwischen geometrischer Strenge und poetischer Offenheit changiert. »Ich tauche voller Begeisterung in diese Welt ein, in der ich die Grenzen der Wahrnehmung und des Verstehens erforsche«, sagt Groenhof über ihre Arbeit.

30 Jahre zuvor debütierte Groenhof 1989 mit ihrer ersten Einzelausstellung in Drachten. Die Künstlerin, die 1985 ihr Studium in Bildhauerei und Umweltgestaltung am AKI ArtEZ in Enschede abschloss und auch den Künstlernamen Atelier 85 verwendet, präsentierte hier geometrisch-abstrakte Gemälde. Diese erregten mit einem innovativen Ansatz Aufmerksamkeit: strenge Grundformen, vorrangig in Primärfarben gehalten, kombiniert die Künstlerin mit Strukturen aus dünnen Linien, die an architektonische Konstrukte erinnern, und vereint so abstrakte und figurative Elemente. Groenhof verwebt mehrere Perspektiven auf eine Leinwand.

Ria Groenhof, Balance, 1988
Von der Künstlerin zur Verfügung gestellt.
Ria Groenhof, Balance, 1988

Die Verhandlung von Linie und Fläche

Zur Zeit der Ausstellung durchlebte das skulpturale Werk der Künstlerin einen Wandel: von in Primärfarben gehaltenen Stahlflächen mit spitzen Winkeln wie in Balance (1988) zu luftigen, fragil wirkenden Edelstahlstrukturen wie Trinity (1989), die das enge Zusammenwirken von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft thematisiert. Durch die Linie und ihre Überschneidungen entstehen durchsichtige Raumkonstrukte, die in ihren Gemälden als zweidimensionale Variante zu finden sind.

Die Linie bleibt auch in folgenden Arbeiten, in denen flächige Elemente integriert werden, das beherrschende Element: In New Life (1995) orientiert sich die Fläche an der Form, die die Linien vorgeben. Nach ihrer Einzelausstellung in Drachten führt Groenhof auch öffentliche Auftragsarbeiten wie den Turfsnijder (Torfstecher) (1991) aus. Die gesamte Komposition ist dreieckig aufgebaut und betont durch radikale Reduktion des flächigen Körpers der Figur zu flachen Prismen die Luftigkeit und Linienhaftigkeit.

Ria Groenhof, Trinity, 1989
Von der Künstlerin zur Verfügung gestellt.
Ria Groenhof, Trinity, 1989

Geschickt bewegt sich Groenhof in zahlreichen Varianten auf der Grenze von Abstraktion und Figuration, in einem dynamischen Ausdruck mit hohem Wiedererkennungswert – trotz der bewussten Konzentration auf einfache Grundformen und Primärfarben. Ihre Kunstwerke transportieren tieferliegende Botschaften und Fragestellungen zu gesellschaftlichen Problemen und der Komplexität des menschlichen Daseins. Die Einfachheit der Formensprache regt auf einzigartige Weise zur Reflektion an. »Mein Ziel ist es, geometrische Formen zum Leben zu erwecken und durch sorgfältige Gestaltung des Raums Inspiration zu bieten. Für mich soll Kunst nicht nur ästhetisch ansprechend sein, sondern auch Fragen aufwerfen, neue Perspektiven eröffnen und unsere Wahrnehmung der Welt verändern«, äußert sich Groenhof zu ihrer Kunst.

Öffentliche Aufträge und lebendige Geometrie

Die Ausdruckskraft von Groenhofs Arbeit resultiert in weiteren, großformatigen Auftragsarbeiten wie De Wachters (Die Wachen) (2000) und De Grins fan Greide en Wetter (Die Grenze zwischen Wiese und Wasser) (2002). Neben dem Einsatz weiterer Materialien wie Cortenstahl beim Erstgenannten zeichnen sie sich durch einen ortsbezogenen Charakter aus, der im weiteren Œuvre der Künstlerin vermehrt Platz einnehmen wird. Die Linienhaftigkeit nimmt zugunsten der prismenförmigen Flächen ab. Im Wall Relief (2004) beispielsweise kehren in Primärfarben gehaltene Stahlflächen zurück – diesmal in Kombination mit reflektierendem Edelstahl, durch den sie einst abgelöst wurden. Diese Vereinigung, alternativ auch mit schwarzen Stahlflächen, bestimmt seither das skulpturale Werk von Groenhof. Sie findet auch in ihren Gemälden einen parallelen Ausdruck. Hier positionieren sich die Formen vor allem auf weißen Grund, der die Tiefenwirkung und die Verwandtschaft zur Skulptur betont.

Ria Groenhof, De Wachters (The Guards), 2000
Von der Künstlerin zur Verfügung gestellt.
Ria Groenhof, De Wachters (Die Wachen), 2000

Einen engen Bezug dazu haben auch Groenhofs Designobjekte wie ihre Gartenmöbel. Sie sind bestimmt von farbigen Flächen mit spitzen Winkeln und vereinen dies teils mit der Linienführung durch Edelstahlstangen. Die Objekte entstehen ebenfalls in handwerklicher Arbeit durch die Künstlerin selbst. Wie eine Skulptur bieten sie ästhetischen und kontemplativen Mehrwert, laden aber auch zur Nutzung ein und stehen in einem engen Verhältnis zu ihrer Umgebung.

Weitere jüngere Arbeiten wie das Land-Art-Projekt Ode aan M.C. Escher op ‘t Bildt (2018) oder die Skulptur Colors of the Wind (2024) erweitern die bestehende Formsprache der Künstlerin um den expliziten Umgang mit der Natur, im speziellen der nordniederländischen. Als eine von sieben Kunstschaffenden gestaltete Groenhof in der Ode aan Escher ein ebenes Getreidefeld mit ihren charakteristischen Formen. Colors of the Wind ist mit beweglichen Flächen in rot, gelb und blau ausgestattet. Sie werden vom Wind ausgerichtet, wodurch das Kunstwerk nicht nur im Verhältnis zur Umgebung steht, sondern aktiv von ihr mitgestaltet wird.

Mit der Leichtigkeit der Linie und der Tiefe der Form hat sich Ria Groenhof über vier Jahrzehnte hinweg als vielseitige Künstlerin etabliert. Ihre Arbeiten entwickeln sich im Spannungsfeld von Reduktion und Vieldeutigkeit, Struktur und Offenheit. Ob als monumentale Skulptur im öffentlichen Raum, als Malerei auf Leinwand oder als gestaltete Landschaft: Groenhofs Werk bleibt in Bewegung.

Detailliertere Ausführungen zu Ria Groenhofs Schaffen finden sich auf ihrer Artist Page.Art.Salon

Ria Groenhof, Colors of the Wind, 2024
Von der Künstlerin zur Verfügung gestellt.
Ria Groenhof, Colors of the Wind, 2024
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